Jubiläumsinterview mit Prof. Dr. Rüdiger Kabst | Universität Paderborn
10 Jahre maxcluster. 10 Jahre, in denen sich das Unternehmen von einer Uni-Ausgründung zu einem 60-Personen-Unternehmen entwickelt hat. Zeit, sich mit Wegbegleitern und Kunden der ersten Stunde über die zurückliegende Zeit zu unterhalten.
Den Anfang unserer losen Reihe an Jubiläums-Interviews macht Professor Dr. Rüdiger Kabst, seit 2012 an der Universität Paderborn.
Bitte stelle Dich kurz vor
Ich bin Rüdiger Kabst, Professor an der Universität Paderborn im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften. Der Lehrstuhl heißt International Business und befasst sich mit den Fragen der internationalen Unternehmensführung, der Innovation und der Unternehmensgründung. Letzteres ist auf jeden Fall ein wichtiger Bereich, der uns mit maxcluster verbindet.
Als ich 2012 den Ruf an die Uni Paderborn angenommen habe, habe ich – nachdem ich den Lehrstuhl aufgebaut habe – auch den Auftrag bekommen, das Gründungszentrum der Universität Paderborn neu aufzubauen. Wir haben dann 2013 aus der Vorgänger-Institution UniConsult das Technologietransfer- und Existenzgründungszentrum der Universität Paderborn “TecUP" gemacht. Es hat den Auftrag, Angehörige der Uni, wie Studierende, aber auch Doktoranden und Forscher dabei zu unterstützen, Gründerinnen und Gründer zu werden. Alles, was es dazu braucht, ist eine vielversprechende Idee und Lust, daraus mehr zu machen. Aus dem Zentrum heraus ist dann 2016/2017 die garage33 entstanden. Mittlerweile eher ein Gründungs-Quartier, denn wir wollten nicht nur mit Angehörigen der Uni zusammenarbeiten, sondern auch mit der regionalen Wirtschaft, um mit diesen Unternehmen Start-up-Projekte und disruptive Geschäftsmodelle zu erarbeiten.
Der neue Accelerator OWL
Wo stehen wir mit diesem Ziel heute? Wir sind mittlerweile das Exzellenz-Start-up Center OWL (ESC.OWL) und kümmern uns um über sechzig Start-ups. Außerdem hatten wir vor einigen Tagen mit Wirtschaftsminister Pinkwart den offiziellen Spatenstich für das neue Gebäude Accelerator OWL im Zukunftsquartier Paderborn, das den Grundstein für den neuen Start-up Campus bildet. In dem neuen Gebäude mit knapp 7.000 m² werden wir zukünftig Platz für bis zu 100 Start-ups haben. Wir werden einen Maker-Space haben, wo Prototypen hergestellt werden können, ein Medienlabor und Hörsäle sowie Veranstaltungsräume. Wir sind also von damals, als wir zwei oder drei Gründungsunternehmen betreut haben, auf fünfzig bis sechzig betreute Start-ups angewachsen und hoffen das mit dem neuen Accelerator noch weiter aufzubauen.
Laut einer Studie werden 80 % der Start-ups keine 10 Jahre alt. Wie ist Deine Erfahrung?
Meiner Meinung nach ist die grundlegende Linie dieser Aussage korrekt. Ob das jetzt aber 80 % sind, oder vielleicht 60 bzw. 70 %, darauf würde ich mich nicht festlegen wollen. Wenn man die Venture Capitalists im Silicon Valley fragen würde, würden die umgehend “95 %” antworten, während wir Ostwestfalen vermutlich 50 % schon hochgegriffen finden würden.
Aber unabhängig von der Zahl: Es handelt sich halt immer um gänzlich neue Unternehmen und innovative Start-ups. Und innovative Ideen sind immer herausfordernd. Teilweise sind die Märkte noch nicht da und müssen erst erschlossen werden. Teilweise müssen sogar erst die Technologien noch entwickelt werden und erst während des Entwicklungsprozesses sieht man die Schwierigkeiten. Und dann gibt es auch noch den Fall, dass das Gründungsteam den Weg nicht mehr gemeinsam gehen möchte. Aus all diesen Gründen ist uns natürlich klar, dass vielleicht nur die Hälfte der von uns betreuten Start-ups am Ende tatsächlich gründen und davon vermutlich auch wiederum nur die Hälfte wirklich erfolgreich wird.
Wenn man jetzt maxcluster sieht, dann gehört das Unternehmen sicherlich zu letzteren – also zu den 25 %, die am Markt bleiben und dort erfolgreich agieren. Aber was ist eigentlich Erfolg? Ich glaube, wenn man schon mal geschafft hat, drei bis fünf Jahre nach der Unternehmensgründung noch am Markt aktiv zu sein, ist man prinzipiell auf einem guten Weg.
Kann man früh erkennen, dass ein Unternehmen erfolgreich wird?
Ich glaube, dass es am Ende des Tages auf die Menschen, das Gründerteam, ankommt und das der eigentliche Erfolgsfaktor ist. Natürlich muss neben dem Gründerteam auch die Idee gut sein und man die entsprechenden Kompetenzen für die Umsetzung haben. Aber muss die Idee ein Unique Selling Point sein? Und muss die Technologie sofort einen Wettbewerbsvorteil bedeuten? Wenn man sich Start-ups anschaut, sieht man, wie viel sie auf dem Weg lernen. Und durch wie viele Veränderungen sie müssen, weil sie vielleicht merken sie, dass die Kundin oder der Kunde doch etwas ganz anderes möchte, als ursprünglich angenommen. Und genau in solchen Momenten zählt, dass das Team zusammenhält, sich immer wieder neu orientiert und das Projekt gemeinsam vorantreibt.
Wichtig ist aber natürlich auch das Umfeld, das Unterstützung bietet, denn natürlich ist gerade in der Anfangsphase jeder Schritt mit einem gewissen Risiko verbunden. Dieses Umfeld wollen wir zum Teil bieten, indem wir Infrastruktur und Räume bereitstellen, aber auch gezieltes Coaching und materielle Zuwendungen.
Auch maxcluster ist ja mit einem Gründungsstipendium gestartet und das half sicherlich ein wenig bei der Fragestellung, ob man das Risiko überhaupt eingehen sollte. Dann kommt noch hinzu, dass Sebastian schon Gründungserfahrung hatte, also das Mindset grundsätzlich vorhanden war. Was ich aber damals besonders wahrgenommen habe, ist, dass maxcluster immer sehr zielstrebig und fokussiert war und sehr reif an die Entwicklung der Business-Idee gegangen ist. Und das ist auf jeden Fall ein weiteres Erfolgskriterium – verstehen, was die Kundin, der Kunde möchte und seine Ideen sehr stark an dieser Kundschaft validieren. Wenn man zu lange von der eigenen Technologie fasziniert ist und nur an die eigene Perspektive denkt, dann wird es langfristig schwierig, Erfolg zu haben.
Und genau das Gegenteil war bei maxcluster der Fall. Das Team war von vorneherein reif genug, den Lean Startup-Ansatz zu nutzen und nicht die Technologie alleine in den Fokus zu rücken, sondern im Zusammenspiel mit der Markt-Validierung. Sie haben aus meiner Sicht früh erkannt, wo die “Schmerzen” der Kunden sind und mit welchen Lösungen sie diese adressieren können.
Wie waren Deine Erfahrungen mit dem maxcluster-Gründungsteam?
Da ich erst 2012, also nach der Gründung von maxcluster, an die Uni Paderborn gekommen bin, war das natürlich für mich eine besondere Situation. Sebastian und Alex sind somit ja vor meiner Zeit schon in diesem Ökosystem “herangereift”. Und tendenziell benötigen Studierende und Absolventen besonders im Übergang zum Start-up, also in einer sehr frühen Phase, die meiste Unterstützung.
Ich habe aber wahrgenommen, wie autark sie als Team agiert haben und wie reif sie bei der Entscheidungsfindung waren. Beide hatten einen klaren Fokus darauf, was sie wollen und auch wie sie es umsetzen wollen. Sie haben sehr schnell mit der Verifizierung ihrer Ideen beim Kunden angefangen und hatten daher eine sehr steile Lernkurve.
Sie gehören daher in meiner Wahrnehmung zu den sehr selbstständig agierenden Start-ups, die mit dem Existenzgründer-Stipendium und den Räumlichkeiten zwar gezielt Unterstützung genutzt und davon profitiert haben. Die aber auch ihren Weg überwiegend alleine gegangen sind, womit sie sich von vielen Gründern unterscheiden.
Ich glaube schon, dass wir maxcluster durch unser “Gründer-Ökosystem” unterstützen konnten und wir ein hilfreicher Wegbegleiter waren, aber schlussendlich sind die Gründer diejenigen, die den Erfolg herbeiführen. Und das sind ganz klar Sebastian und Alex.
Wie funktioniert das Gründungsnetzwerk?
Wir versuchen natürlich immer unsere Verbundenheit mit den “Alumni-Gründern” der Uni Paderborn aufrechtzuerhalten. Tatsächlich bauen wir gerade ein Alumni-Netzwerk auf, denn natürlich sehen wir darin auch einen potenziellen Nutzen für Neugründer, denn sie können auf die Erfahrung unserer Alumnis zurückgreifen und aus deren Fehlern und gemeisterten Herausforderungen lernen.
Und umgekehrt haben die Alumnis auch die Möglichkeit, den Kontakt zu fähigen Studierenden zu intensivieren. Das kann zum Beispiel über unsere Matching-Events geschehen, wobei wir auch offen für andere Formate sind.
garage33 | Credit: Johannes Pauly
So versuchen wir immer wieder die Brücke herzustellen und in Kontakt zu bleiben. Wir möchten gewissermaßen eine Gründungsfamilie aufbauen, die aus ehemaligen, jetzigen und zukünftigen Gründern besteht, und die sich gegenseitig unterstützt. Wir als Exzellenz-Center sind die Einheit, die alles zusammenhält und über alle Phase der Gründung hinweg der Begleiter ist. Sicherlich ist unsere Hilfestellung in der Phase der Gründung und in der ersten Zeit danach am wertvollsten, denn irgendwann benötigt ein Unternehmen unsere Unterstützung nicht mehr. Oder sie brauchen vielleicht nur noch Hilfe beim Re-Branding oder beim Recruiting.
Dieses Ökosystem lebt natürlich von der Expertise und der Erfahrung seiner Mitglieder und von Rollenvorbildern. Sebastian und Alex sind da mit maxcluster und dessen 10-jähriger Erfolgsgeschichte natürlich tolle Rollenvorbilder für junge Gründer.
Welche Herausforderungen siehst Du heute für maxcluster?
Die Herausforderungen sind heute sicherlich anders als die im ersten oder zweiten Jahr. Jetzt geht es einfach darum, ein Arbeitsumfeld für Mitarbeitende zu schaffen, in dem das Arbeiten Freude bereitet und das Team-Klima passt. Ich glaube, nur wenn Mitarbeiter zufrieden sind, dann sind auch die Kunden zufrieden. Ich bekomme aber in den sozialen Medien mit, dass maxcluster auf Mitarbeiterzufriedenheit einen besonderen Fokus legt: Eine tolle Betriebskantine und schöne Büros unterstützen auf jeden Fall dabei. Und es macht immer mehr Spaß, in einem wachsenden Unternehmen zu arbeiten, als in einem konsolidierten Unternehmen, das sicherlich auch deutlich bürokratischer ist.
Alles in allem gibt es nun für maxcluster bestimmt ganz andere Herausforderungen als in der frühen Start-up-Phase. Denn in der Start-up-Geschichte ist maxcluster inzwischen ein Scale-up und muss sich mit seinen jetzt sechzig Mitarbeitern besonders Wachstumsproblemen stellen.
Durch das B2B-Geschäftsmodell von maxcluster ist es aber nicht nötig, umgehend hunderttausende von Usern zu haben, damit ausreichend Traktion vorhanden ist. Die Funktion bzw. die Funktionsfähigkeit und der Erfolg des Geschäftsmodells basieren nicht darauf, sondern man kann sukzessive seine Business-Kunden aufbauen. Irgendwann wird dann quasi eine self-fulfilling prophecy daraus, weil die Reputation, die man erwirbt, zu weiteren Empfehlungen und damit Kunden führt. Das Model minimiert daher den Zwang, sofort eine hohe Anzahl an Nutzern zu haben, sodass man sich dem langsamen Aufbau des Unternehmens mit einem Fokus auf die Kernthemen widmen kann.
Nimmst Du maxcluster im Alltag wahr?
Das, was mir zum Thema Außenwirkung immer sofort einfällt, ist der maxcluster-Bus. maxcluster war meines Wissens das erste Unternehmen in Paderborn, das Werbung auf einem Bus eingesetzt hat, um Mitarbeiter zu rekrutieren. Das fand ich schon immer sehr charmant.
Und sonst habe ich immer stark zur Kenntnis genommen, dass Sebastian und Alex sehr genau wussten, was ihr Weg ist. Und ich glaube, dass sie sich dadurch deutlich von anderen unterschieden haben. Sie waren von vorneherein, wie ich bereits sagte, viel reifer und fokussierter und wussten genau, was ihr USP ist und wo die Schmerzen der Kunden sitzen. Nämlich die bessere Betreuung ihrer Kunden und der hohe Grad an Zuverlässigkeit. Dieser Gedanke war von vorneherein sehr stark verankert und wurde auch konsequent gelebt. Daher waren auch nicht viele Pivots, also Veränderungen der Strategie oder grundsätzliche Veränderungen des Produktes, notwendig. Da war einfach viel von Anfang an gesetzt und beide sind mit einer Hartnäckigkeit und einer Fokussierung an dieses Unternehmen herangegangen, die gut waren für den Erfolg.
Sebastian und Alex sind meiner Meinung nach sehr bodenständig. Sie sind vermutlich nicht diejenigen, die große Freude daran haben, sich vor einem Investor in Berlin zu präsentieren. So nehme ich sie zumindest nicht wahr. Das sieht man auch an der Art und Weise, wie sie mit dem Unternehmen gewachsen sind – ohne Venture Capital, sondern per Bootstrapping, also aus eigenen Mitteln. Durch das endogene Wachstum konnten sie auch die Geschwindigkeit selber steuern. Und vielleicht auch im ersten Schritt mehr auf Qualität statt auf Quantität Wert legen. Und mittel- bis langfristig ist das sicherlich das bessere Modell für diese Art des betreuten E-Commerce-Hostings, denn so können sie nicht nur eine technische, sondern eine Full Service-Lösung auch für Menschen anbieten, die vielleicht mit der Technik gar nichts zu tun haben wollen.
Sie sagen “mein Herz schlägt für Mut zur Veränderung”? Ist maxcluster mutig?
Selbstverständlich, weil jedes Start-up per se und jeder Gründer Mut zur Veränderung hat. Sie sind sogar ein Beispiel für Veränderung. Sicherlich hätten Sebastian und Alex in einem traditionellen Unternehmen mit ihren Fähigkeiten als Angestellte arbeiten können. Dann hätten sie weniger Mut gebraucht und hätten weniger Risiken eingehen müssen. Ob sie glücklicher geworden wären? Wahrscheinlich nicht, denn sie sind diese autarken Typen, die ihr Ding machen wollen. Und für mich haben Gründer wie Sebastian und Alex, die diesen Schritt in die Selbstständigkeit wagen, genau diesen Mut zum Wandel. maxcluster war von vorneherein und ist nach zehn Jahren immer noch ein mutiges Unternehmen mit mutigen Gründern.
Und den Mut braucht es auch gerade in der jetzigen Phase von maxcluster. Denn in der Wachstumsphase werden Prozesse benötigt und eine andere Art von Unternehmensstruktur, damit man die wachsende Unternehmensgröße noch managen kann. Und loszulassen, auf das Team zu vertrauen, Entscheidungen nicht mehr alle selber zu treffen – und gegebenenfalls noch nicht mal mehr darüber informiert zu sein – für all das braucht man auch Mut.
Abschließend kann ich nur sagen, dass maxcluster wirklich zu den erfolgreichen Ausgründungen gehört und ich allen im Team und natürlich den Gründern zu diesem tollen Jubiläum gratuliere.
Veröffentlicht am 09.03.2022 | NM