Barrierefreiheit für deinen Onlineshop

05.12.2024
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Barrierefreiheit ist ein zentraler Aspekt moderner Webentwicklung, der in der Welt des E-Commerce oft unterschätzt wird.

Dieser Blogbeitrag beleuchtet, was Barrierefreiheit im Kontext von Onlineshops bedeutet, warum sie wichtig ist und mit welchen Tipps du deinen Onlineshop barrierefrei gestalten kannst.

Was bedeutet Barrierefreiheit im E-Commerce?

Barrierefreiheit im E-Commerce bedeutet, digitale Inhalte, Produkte und Dienstleistungen so zu gestalten, dass sie von allen Menschen uneingeschränkt genutzt werden können – unabhängig von körperlichen, sensorischen oder kognitiven Einschränkungen. Dies schließt Personen mit Seh- oder Hörbehinderungen, motorischen Einschränkungen sowie Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen oder altersbedingten Einschränkungen ein.

Im digitalen Kontext basiert Barrierefreiheit auf den Web Content Accessibility Guidelines (WCAG). Die Web Content Accessibility Guidelines sind ein international anerkannter Standard für die Barrierefreiheit von Webinhalten. Sie wurden vom World Wide Web Consortium (W3C) durch die Web Accessibility Initiative (WAI) entwickelt. Ziel der WCAG ist es, sicherzustellen, dass das Internet für alle Menschen zugänglich ist, unabhängig von ihren physischen, sensorischen, kognitiven oder technischen Einschränkungen. Die aktuellste Version, WCAG 2.2, baut auf den vorangegangenen Versionen 2.0 und 2.1 auf und erweitert diese um zusätzliche Richtlinien, um den technologischen Fortschritt und die sich ändernden Anforderungen der Nutzer zu berücksichtigen. Diese Richtlinien sind in vier Prinzipien gegliedert.

Die vier Prinzipien der WCAG

1. Wahrnehmbar (Perceivable)

Webinhalte müssen so gestaltet sein, dass sie von den Nutzern wahrgenommen werden können. Dies schließt ein:

  • Alternativen für Nicht-Text-Inhalte: Bilder und andere Medien sollten durch Alternativtexte oder Untertitel beschrieben werden.
  • Text-Inhalte lesbar machen: Verwenden von ausreichend großem Kontrast und Schriftgröße, damit Inhalte gut sichtbar sind.
  • Multisensorischer Zugang: Audiodateien sollten Untertitel haben, während Videos Audiodeskriptionen beinhalten sollten.

2. Bedienbar (Operable)

Die Navigation und Funktionalität müssen für alle Nutzer zugänglich sein.

  • Tastaturzugänglichkeit: Alle Funktionen sollten ohne Maus, nur mit der Tastatur bedienbar sein.
  • Zeitmanagement: Nutzern sollte ausreichend Zeit gegeben werden, um Inhalte zu lesen oder Aufgaben abzuschließen.
  • Vermeidung von Desorientierung: Flashing-Elemente oder Animationen, die Anfälle oder Verwirrung auslösen können, sollten vermieden werden.

3. Verständlich (Understandable)

Die Informationen und Benutzeroberflächen müssen leicht verständlich sein.

  • Lesbare Inhalte: Klare Sprache, einfache Navigation und hilfreiche Anweisungen erleichtern den Zugang.
  • Vorhersehbarkeit: Konsistente und vorhersehbare Interaktionen und Designs helfen Nutzern, sich besser zurechtzufinden.
  • Hilfsmittel: Zusätzliche Erklärungen oder Eingabefeedback können Nutzer unterstützen.

4. Robust (Robust)

Webinhalte sollten so gestaltet sein, dass sie mit unterschiedlichen Geräten und Technologien kompatibel sind.

  • Unterstützung von Assistive Technologien: Inhalte müssen mit Screenreadern, Braille-Lesegeräten und anderen unterstützenden Tools lesbar sein.
  • Zukunftssicherheit: Sicherstellen, dass Inhalte mit neuen Technologien kompatibel bleiben.

WCAG-Erfolgskriterien und Konformitätsstufen

Die Konformitätsstufen in den WCAG beschreiben, wie umfassend die Anforderungen der Richtlinien erfüllt werden. Es gibt drei Stufen, die den Grad der Barrierefreiheit eines digitalen Inhalts angeben:

  • A (Grundlegend): Adressiert die grundlegenden Anforderungen für Barrierefreiheit.
  • AA (Mittel): Beinhaltet eine breite Palette von Barrierefreiheitsanforderungen und ist oft der Standard für gesetzliche Vorschriften.
  • AAA (Hoch): Höchstes Niveau der Barrierefreiheit; nicht immer praktikabel für alle Inhalte.

Beispielsweise fordert Stufe AA eine Kontrastverhältnis von 4,5:1 zwischen Text und Hintergrund, während AAA ein Verhältnis von 7:1 verlangt.

Gesetzliche Anforderungen

In vielen Ländern sind die WCAG eine Grundlage für gesetzliche Regelungen:

  • In der Europäischen Union regelt die EU-Richtlinie 2016/2102 die Barrierefreiheit öffentlicher Websites.
  • In den USA fallen viele Websites unter den Americans with Disabilities Act (ADA) und die entsprechenden Vorschriften.
  • In Deutschland ist das Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung (BITV) auf den WCAG-Standards aufgebaut.

Warum ist Barrierefreiheit wichtig?

1. Rechtliche Verpflichtungen

Die rechtlichen Anforderungen an barrierefreie Websites werden weltweit zunehmend verschärft. In der EU regelt die Richtlinie (EU) 2016/2102, dass öffentliche und teilweise auch private digitale Angebote barrierefrei sein müssen. In Deutschland setzt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) diese Anforderungen um. Unternehmen, die die Vorgaben ignorieren, riskieren rechtliche Konsequenzen.

2. Erweiterung der Zielgruppe

Ein Teil der Weltbevölkerung lebt mit einer Form von Behinderung. Barrierefreiheit bedeutet, dass auch diese Zielgruppe ein ungehindertes Einkaufserlebnis genießen kann. Dies steigert nicht nur die Reichweite des Onlineshops, sondern auch dessen Umsatzpotenzial.

3. Verbesserte Nutzererfahrung für alle

Barrierefreiheit geht oft Hand in Hand mit besserem Design und Benutzerfreundlichkeit. Ein gut strukturierter, barrierefreier Onlineshop ist auch für ältere Menschen, mobile Nutzer oder Menschen mit temporären Einschränkungen leichter zugänglich.

4. SEO-Vorteile

Barrierefreie Websites sind oft auch suchmaschinenfreundlich. Strukturierte Inhalte, klare Navigation und alternative Texte verbessern nicht nur die Zugänglichkeit, sondern auch das Ranking bei Google und anderen Suchmaschinen.

Status quo: Wie viele Shops sind barrierefrei?

Die Studie von Aktion Mensch und Google untersuchte 71 der meistbesuchten deutschen Onlineshops hinsichtlich ihrer Barrierefreiheit. Das Ergebnis ist ernüchternd: Nur etwa 15 Webseiten waren rudimentär barrierefrei, etwa indem sie per Tastatur bedienbar waren – ein essenzielles Kriterium für Menschen mit motorischen oder visuellen Einschränkungen. Elemente wie fehlende Kontraste, schlecht navigierbare Seiten und unlogische Benutzerführung dominieren die E-Commerce-Landschaft. Insgesamt weisen 75% der getesteten Shops erhebliche Barrieren auf, und die Dunkelziffer dürfte sogar noch höher liegen, da nicht alle Aspekte wie Bezahlprozesse oder Produktdokumentationen berücksichtigt wurden. Dies verdeutlicht, dass die Mehrheit der digitalen Angebote für rund 7,8 Millionen Menschen mit Behinderungen in Deutschland nicht zugänglich ist.

Die Barrieren entstehen nicht nur durch technische Defizite, sondern auch durch fehlendes Bewusstsein bei Entwicklern und Betreibern. Ein wiederkehrendes Problem ist die Vernachlässigung der Web Content Accessibility Guidelines (WCAG) 2.1, die Standards für barrierefreie digitale Inhalte definieren. Besonders auffällig sind:

  • Fehlender Tastaturfokus: Viele Shops bieten keine sichtbare Navigation für Tastaturbenutzer.
  • Schlechte Kontraste: Farbgestaltungen erschweren es Menschen mit Sehbehinderungen, Inhalte zu erkennen.
  • Störende Elemente: Cookie-Banner und Werbebanner blockieren oft wichtige Inhalte. Diese Probleme resultieren häufig aus einer mangelnden Schulung von Redakteuren und Entwicklern. Barrierefreiheit wird oft als einmalige technische Anpassung gesehen, obwohl sie ein fortlaufender Prozess ist.

Das Vernachlässigen von Barrierefreiheit bedeutet auch entgangene Umsätze. Zudem steht ab Juni 2025 das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz in Kraft, das Unternehmen ab einer bestimmten Größe verpflichtet, ihre digitalen Angebote barrierefrei zu gestalten. Verstöße können mit Geldbußen geahndet werden.

Wie gestalte ich meinen Onlineshop barrierefrei?

Unternehmen, die ihre Onlineshops barrierefrei gestalten möchten, können auf eine Vielzahl von Tools und Ansätzen zurückgreifen:

Automatisierte Tests: Tools wie Google Lighthouse und WAVE helfen dabei, grundlegende Probleme zu identifizieren.

Manuelle Tests: Nutzer mit Behinderungen können Feedback zu realen Nutzungsszenarien geben.

Schulungen: Mitarbeiterschulungen fördern ein besseres Verständnis für barrierefreies Design und redaktionelle Anforderungen.

Zusammenarbeit mit Experten: Die Einbindung von Fachleuten für Barrierefreiheit kann sicherstellen, dass Richtlinien korrekt umgesetzt werden.

Barrierefreiheit in der Praxis – Worauf müssen Shop-Besitzer achten?

Die Umsetzung von Barrierefreiheit im E-Commerce erfordert eine sorgfältige Planung und technische Expertise. Die folgenden Bereiche sind besonders wichtig.

Barrierefreie Navigation

Eine intuitive und gut strukturierte Navigation ist das Fundament eines barrierefreien Onlineshops. Nutzer müssen in der Lage sein, mit wenigen Klicks oder Tasteneingaben die gewünschten Produkte zu finden. Dies umfasst:

  • Klar beschriftete Menüpunkte, die eindeutig erkennen lassen, wohin sie führen.
  • Tastaturfreundliche Navigation, die ohne Maus funktioniert.
  • Fokus- und Hervorhebungszustände, die deutlich machen, welches Element gerade ausgewählt ist.

Lesbare Inhalte und Farbkontraste

Texte müssen klar strukturiert und leicht verständlich sein. Dies schließt kurze Absätze, präzise Formulierungen und den Verzicht auf Fachjargon ein. Farben spielen ebenfalls eine zentrale Rolle. Ein ausreichender Kontrast zwischen Schrift und Hintergrund ist essenziell, um Inhalte für Menschen mit Sehbehinderungen zugänglich zu machen.

Alternative Inhalte

Visuelle und akustische Inhalte sollten immer durch Alternativen ergänzt werden:

  • Bilder: Beschreibung durch prägnante Alt-Texte.
  • Videos: Bereitstellung von Untertiteln und Audiodeskriptionen.
  • Audioinhalte: Transkripte für hörgeschädigte Nutzer.

Barrierefreie Formulare

Formulare – etwa für die Registrierung oder den Checkout – gehören zu den häufigsten Barrieren in Onlineshops. Eine barrierefreie Gestaltung umfasst:

  • Präzise Beschriftungen, die jedem Eingabefeld zugeordnet sind.
  • Fehlermeldungen, die leicht verständlich und hilfreich sind.
  • Eine logische Anordnung der Eingabefelder.

Unterstützung assistiver Technologien

Barrierefreie Onlineshops sind kompatibel mit Screenreadern und anderen Hilfsmitteln. Dies setzt eine korrekte semantische Struktur der Website voraus. HTML-Tags und ARIA-Attribute sollten entsprechend den Standards eingesetzt werden.

Best Practices für barrierefreie Onlineshops

Inklusive Content-Strategie: Achte darauf, dass Texte, Videos und Bilder leicht verständlich und zugänglich sind. Untertitel für Videos und die Verwendung einfacher Sprache helfen enorm dabei.

Regelmäßige Tests: Barrierefreiheit ist ein kontinuierlicher Prozess. Teste deinen Onlineshop regelmäßig mit echten Nutzern und Experten, um Probleme zu erkennen und zu beheben.

Schulungen für Teams: Sensibilisiere deine Entwickler, Designer und Content-Teams für das Thema Barrierefreiheit und zeige ihnen, wie sie diese umsetzen können.

Feedback einholen: Gib deinen Nutzern eine einfache Möglichkeit, dir Feedback zu möglichen Barrierefreiheitsproblemen zu geben. So kannst du gezielt Verbesserungen vornehmen.

Fazit: Barrierefreiheit als Wettbewerbsvorteil

Barrierefreiheit im E-Commerce ist kein optionales Nice-to-have, sondern ein Muss. Sie verbindet ethische Verantwortung mit geschäftlichem Nutzen und ist ein entscheidender Wettbewerbsvorteil in einer zunehmend digitalen Welt. Unternehmen, die frühzeitig in barrierefreie Onlineshops investieren, sichern sich nicht nur die Treue einer breiteren Zielgruppe, sondern stärken auch ihre Position auf dem Markt.

Der Schlüssel zum Erfolg liegt in einer bewussten und durchdachten Herangehensweise – unterstützt durch technische Tools, rechtliches Wissen und ein tiefes Verständnis der Bedürfnisse aller Nutzer. Barrierefreiheit ist die Grundlage für ein wirklich inklusives Einkaufserlebnis und ein Zeichen von Exzellenz im digitalen Handel.


Veröffentlicht am 05.12.2024 | Barrierefreiheit für deinen Onlineshop | DW