Jubiläumsinterview mit Prof. Dr. Dennis Kundisch | Universität Paderborn

12.05.2022
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Als Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik an der Universität Paderborn, hat Prof. Dr. Dennis Kundisch, Sebastian Ringel und Alexander Wilhelm als Mentor bei der Gründung von maxcluster unterstützt.

Wie hat er die Anfänge des Unternehmens erlebt und wie nimmt er maxcluster jetzt, nach 10 Jahren am Markt, wahr? Diese und andere Fragen beantwortet er im Jubiläums-Interview.

Bitte stellen Sie sich kurz vor

Ich bin Dennis Kundisch und komme – was man manchmal gut bis sehr gut hört – aus dem Schwarzwald, genauer gesagt aus Villingen-Schwenningen. Ich habe nach dem Gymnasium in Augsburg BWL studiert und dort dann auch promoviert und habilitiert.

Danach kamen meine wissenschaftlichen Wanderjahre: Ich war zum einen in Deutschland unterwegs, in Freiburg und in Cottbus, aber auch im Ausland, in Calgary/Kanada und Sydney/Australien. 2009 bin ich dann nach Paderborn berufen worden.

Ich bin gelernter Wirtschaftsinformatiker, habe also einen Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik, mit besonderem Schwerpunkt auf digitale Märkte. Es gibt viele Themen, die momentan ziemlich hoch im Kurs sind und Wirtschaftsinformatik gehört definitiv mit dazu. Egal in welcher Branche man schaut, aber auch in der öffentlichen Verwaltung und im Privatleben – die Digitalisierung spielt überall eine sehr große Rolle. Und deswegen ist das für mich auch ein sehr, sehr spannendes Umfeld. Mit ganz vielen offenen Fragen und immer wieder neuen Herausforderungen aufgrund der sich ständig ändernden Technologie.

Woher kennen Sie maxcluster?

Mein erster Arbeitstag an der Uni Paderborn war am 1. April 2009 und kurz danach habe ich auch die beiden maxcluster-Gründer Alex und Sebastian kennengelernt. Ich habe im Wintersemester 2009/2010 und dann im folgenden Sommersemester zwei Vorlesungen angeboten: Methoden der IT-Investitionsbewertung und Ökonomische Grundlagen von Netzmärkten. Wenn ich mich richtig erinnere, saßen Sebastian Ringel als Wirtschaftswissenschaftler kurz vor Ende seines Bachelors und Alex Wilhelm als Wirtschaftsinformatiker in einer dieser Vorlesungen.

Prof. Dr. Dennis Kundisch (links) mit Sebastian Ringel und Alexander Wilhelm

Und nach einer der Vorlesungen kamen dann beide zu mir und sagten, dass sie eine Idee hätten, über die sie gerne mal mit mir reden wollten. Sie wollten ein Existenzgründer-Stipendium für diese Geschäftsidee beantragen und da habe ich ihnen dann bei der Beantragung geholfen, den Business Plan mitentwickelt und war quasi Mentor.

maxcluster hat dann das Stipendium so gegen Ende 2010 gewonnen und hat knapp 70.000 € bekommen, mit dem die beiden das Produkt entwickeln konnten.

Warum haben Sie maxcluster unterstützt?

Man muss sich dafür vorstellen, wie einige der Vorlesungen im Bachelor an der Uni ablaufen. Bei den Vorlesungen im Bachelor, die ich halte, sitzen häufig zwischen hundert und dreihundert Personen im Raum. Da ist es gar nicht so leicht, überhaupt mit den einzelnen Studierenden in den Austausch zu kommen oder sie gar persönlich näher kennenzulernen.

Nach einer der Vorlesungen kamen die beiden dann zu mir und ich fand sie von Anfang an super. Und je länger ich mich mit beiden unterhalten habe und je mehr ich erfahren habe, desto mehr wurde mein erster Eindruck bestätigt. Sebastian Ringel, der im Gaming-Bereich quasi noch als Minderjähriger nebenher schon ein Business aufgebaut hat und Alexander Wilhelm, der mich mit seinem Streben nach Exzellenz in der Entwicklung von Software-Systemen überzeugt hat. Alex hat auch einfach für mich rübergebracht, dass er inhaltlich wirklich tief in der Thematik steckt und nicht aufhört, bis er die beste Lösung gefunden hat.

In der Kombination fand ich das einfach faszinierend – und dabei ging es mir im ersten Schritt noch gar nicht um die eigentliche Geschäftsidee. Aber natürlich habe ich auch schnell gesehen, dass die dahinterliegende Produktidee nicht nur hervorragend und innovativ war, sondern dafür auch eine Notwendigkeit am Markt bestand. Das gab es so noch nicht und die Idee war meines Erachtens einfach sensationell.

Und das hat mich berührt, denn ich finde, es ist auch eine essenzielle Aufgabe von Hochschullehrer*innen solche Potenziale zu erkennen und das bestmögliche zu tun, Türen zu öffnen, zu unterstützen, zu begleiten und auch Rückmeldung zu geben, um die Realisierung solcher Ideen zu ermöglichen.

Was hat Sie vom Unternehmenskonzept und Gründerteam überzeugt?

Die Idee, skalierbare und ausfallsichere High Performance IT-Infrastruktur anzubieten, hat mich sofort überzeugt. Alex und Sebastian haben erkannt, dass das Thema E-Commerce “durch die Decke geht” und dass eine vernünftige Infrastruktur notwendig ist, um den Bestand dieser Unternehmen zu sichern. Sichern dadurch, dass die Onlineshops so gut wie nie ausfallen und durch das automatische “Abfangen” von Überlast.

Basis für diese Ideen waren zwei Fragen: Warum kann eine Lastspitze nicht automatisch abgefangen werden? Und vor allem: Warum dauert es so lange, wenn man bei einem Hoster etwas bestellt? Da braucht man einen Server mit einem gewissen Umfang an Arbeitsspeicher und einer bestimmten CPU-Power und dann dauert es eine oder sogar mehrere Wochen, bis mir das bereitgestellt wird.

Und die Idee von den beiden war dann sofort einleuchtend: Wir bauen eine Web-Oberfläche, auf der ich mir mit einem Schieberegler das gewünschte zusammen konfiguriere, drücke auf einen Knopf und habe dann im Prinzip schon meine Infrastruktur. Die kann ich mir anschließend noch so einstellen, wie ich sie brauche und wenn ich mal mehr benötige, passt sich das sogar automatisch an. Und es wird auch nur das abgerechnet, was ich wirklich benötigt habe (“pay per use”). Das war absolut innovativ damals.

Im Rahmen der erfolgreich genehmigten EXIST-Förderung wurde das Produkt schließlich weitgehend fertiggestellt. Wobei die beiden Gründer trotzdem fortwährend überlegt haben, wie man es noch weiter perfektionieren kann.

Und da war dann dieses sehr coole Produkt und es wurden schnell ein paar erste Kunden gewonnen und dann – nichts. Es kam einfach nichts mehr nach. Das waren ein paar wirklich harte Monate für die beiden und ihr noch sehr junges Unternehmen. Bestimmt ein Jahr stand es spitz auf Knopf und es war unklar, wie lange die beiden Gründer so weitermachen können.

Dann kam die Erweiterung der Geschäftsidee mit dem Magento-Hosting und der Magento-Optimierung, was noch mal auf einer ganz anderen Ebene war. Das hat der Idee gewissermaßen das Leben gerettet. Vorher hat diese Idee einfach nicht im Markt gezündet, denn viele Geschäftsführer*innen haben sie gar nicht richtig verstanden. Viele davon hat nach meiner Überzeugung nur interessiert, dass ihre Shops verfügbar und die Antwortzeiten sehr kurz sind, aber nicht, ob ich per Knopfdruck skalieren kann. Mit Magento änderte sich das, denn auch die Kunden änderten sich. Und denen konnte man gut erklären: Hey, schau, dein Shop hat nicht mehr eine Antwortzeit von 0,8 Sekunden, sondern von 0,08 Sekunden, denn durch unser Angebot wird dein Shop so optimiert, dass die Antwortzeiten extrem kurz sind.

Ab da konnten in kurzer Zeit viele Neukunden gewonnen werden. maxcluster war Deutschlands einziger und bester Magento-Partner, war auf allen relevanten Messen präsent und die beiden Gründer waren überall als Magento-Experten angesehen. Sie waren die, die die Magento-Shops nicht nur ausfallsicher machten, sondern darüber hinaus auch noch die Antwortzeiten um 80 % reduzieren konnten. Und da war dann natürlich auch noch die Sache mit der “Höhle der Löwen”: Nach einer Sendung sind die Server anderer Hoster reihenweise in die Knie gegangen. Nur maxcluster konnte zusichern, dass, egal, wie viele Menschen zuschauen und danach auf die Seite klicken, sie das entsprechend skaliert bekommen.

Woran erinnern Sie sich ganz besonders?

Wir haben uns damals schon recht häufig getroffen, in der Regel zu dritt. Und als sie den Business-Plan geschrieben haben, habe ich diesen auch immer wieder kommentiert. Und dann haben wir uns zusammengesetzt und darüber gesprochen. Über die inhaltliche Positionierung und über den jeweils nächsten Schritt. Auch über die Finanzierung – das ist mir besonders klar in Erinnerung geblieben, weil ich das so beeindruckend fand. Sebastian und Alex haben ganz klar gesagt, dass sie keinen Investor im Unternehmen haben wollen. Sie wollten einfach alles selber in der Hand haben und haben dafür lieber auf ein “normales” Leben verzichtet. Denn es gab schon Zeiten, in denen es nach meiner Erinnerung finanziell wirklich knapp war. Und in den ersten Jahren haben sie sich nichts geleistet und waren super bescheiden, damit das Unternehmen erst einmal in die Wachstumsphase kommen konnte.

Als sie dann in das Dachgeschoss im Technologiepark gezogen sind, waren sie aus dem Gröbsten raus. Da haben sie dann u. a. ein Barbecue over the sky gemacht. Das war am 22.8.2013.

Nach dem Umzug in den Technologiepark (v.l.n.r.): Carlos Andre Galvao, Alexander Wilhelm, Prof. Dr. Dennis Kundisch, Sebastian Ringel

Ab 2013 gab es dann ein zunehmend beschleunigtes Wachstum. Da wurde dann ein deutlicher Pivot unumgänglich. Denn vorher hatten die beiden ja alles alleine gemacht: Die Technik, die Kundengespräche – in allem waren sie bis im Detail drin. Sie sind nach Frankfurt gefahren und haben im Rack eine Festplatte ausgebaut, oder haben nachts um 3:00 Uhr Kundenanrufe angenommen, wenn es irgendwo ein Problem gab und haben dafür auch monatelang auf Urlaub verzichtet.

Auf einmal hat man dann Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, muss Vorgesetzter sein und sich noch mit ganz anderen Themen beschäftigen. Da muss man erst einmal akzeptieren, dass man nicht mehr überall im Detail drin sein kann, sondern man muss lernen, zu delegieren. Man muss lernen, dass ein Teil der Arbeitszeit jetzt aus Mitarbeiterführung besteht, aus Team-Aufbau und aus unterschiedlichen Anliegen der Mitarbeitenden. Ich weiß, dass es gerade für Alex schwer war, dass er nicht mehr die Zeit hatte, die Entwicklung so im Detail weiterzutreiben, alles im Blick zu haben und alles selber zu machen. Ich habe daher absolute Hochachtung vor den beiden, dass sie es geschafft haben, ihre Rolle zu wechseln.

Wie nehmen Sie maxcluster zurzeit wahr?

Ich nehme maxcluster momentan überwiegend über die sozialen Medien wahr. Pandemiebedingt haben Sebastian, Alex und ich uns in den letzten Monaten nicht mehr häufig getroffen. Ich denke aber, dass ich bald die Einladung annehme und mir die neuen Räumlichkeiten und auch gerne die tolle neue Kantine mal genauer anschauen werde.

Und natürlich werde ich die beiden bald auch wieder in die unterschiedlichsten Vorlesungen einladen. Es hilft meinen Studierenden, wenn Gründer berichten, wie man die eigenen Ideen gefunden und weiterentwickelt hat. Das fördert nicht nur den Austausch, sondern regt Innovationen an.

Aber nochmal auf die Frage zurückkommend: Ich nehme das Unternehmen auch durch die Werbung auf den Bussen wahr, die ja schon seit einiger Zeit in Paderborn unterwegs sind.

Was zeichnete und zeichnet maxcluster in Ihren Augen aus?

Zuverlässigkeit, Exzellenz, Professionalität. Gehaltenes Wort und offener Umgang mit Fehlern. Man kann nicht alles zu hundert Prozent schaffen, das geht über zehn Jahre nicht. Aber wenn es ein Problem gibt, umgehend darüber zu informieren, was passiert ist, wie man darauf reagiert hat und wie man sicherstellt, dass es sich nicht wiederholen wird, das ist professionell. Und maxcluster wollte nie “Billigheimer” sein, sondern immer ein Premiumprodukt anbieten: “Wenn man zu uns kommt, bekommt man Premium-Service und einen zuverlässigen Partner”.

Ich persönlich freue mich einfach wahnsinnig für die beiden und für das gesamte Unternehmen und darüber, welche Entwicklung ich da ein Stück weit mit begleiten durfte. Ich bin dankbar, dass ich eine kleine Rolle darin haben durfte und freue mich einfach sehr über den Erfolg, wohl wissend, dass auch viele scheitern. Natürlich hat Erfolg manchmal auch mit glücklichen Umständen und Fügungen zu tun, aber bei den beiden kam einfach schon vieles zusammen, was die Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs deutlich erhöht: Durchhaltevermögen, Flexibilität, Wunsch nach Nachhaltigkeit, der Exzellenz-Anspruch und immer wieder Reflexion der neuen Rollen, die sie wahrnehmen mussten. Ich freue mich einfach, dass ich das Glück hatte 2009 nach Paderborn berufen worden zu sein und dadurch die beiden in meiner Vorlesung waren.


Veröffentlicht am 12.05.2022 | NM